Zwischen Hilfe bei ADHS und riskanten Medikamententipps
Wer auf Spotify nach „Adderall“ sucht, entdeckt Podcasts über ADHS, Suchtbewältigung und persönliche Erfahrungen mit dem Medikament. Doch darunter mischen sich viele Seiten, die sich nur als Podcasts ausgeben. In Wahrheit leiten sie zu illegalen Online-Apotheken weiter.
Ein Beispiel ist „My Adderall Store“ – der Podcast enthält Links zu Seiten, die Adderall, Oxycodon oder Vicodin ohne Rezept anbieten. Diese Inhalte rangieren unter den ersten 50 Suchtreffern und gefährden Nutzer, die echte Hilfe suchen.
Ermittlungen enthüllen Dutzende dieser falschen Formate. Sie bewerben Medikamente wie Ambien oder Methadon – ohne ärztliche Verschreibung. Das verstößt gegen geltendes US-Recht.
Spotify reagiert – doch neue Inhalte folgen sofort
Ein Medium übermittelte Spotify eine Liste mit 26 betrügerischen Podcasts. Die Plattform entfernte sie wenige Stunden später und erklärte, die Inhalte verletzten ihre Richtlinien gegen illegale Werbung und Spam.
Am darauffolgenden Tag tauchten jedoch erneut ähnliche Podcasts auf. Spotify betont, es arbeite kontinuierlich daran, problematische Inhalte zu erkennen und zu löschen. Doch der Fall zeigt, wie schnell sich neue Angebote verbreiten – unterstützt durch KI-Tools.
Ruf nach Verantwortung für gefährliche Inhalte
Tech-Autorin Lauren Balik appellierte öffentlich an CEO Daniel Ek, das Problem umgehend zu lösen. Ein investigativer Bericht nannte zusätzlich Hunderte ähnliche Formate – viele davon entfernte Spotify nach Veröffentlichung.
Mehrere US-Behörden warnen regelmäßig vor den Risiken illegaler Online-Apotheken. Die Einnahme solcher Medikamente ohne Rezept kann tödlich enden.
Google musste 2011 eine halbe Milliarde US-Dollar zahlen, weil es Werbung für nicht lizenzierte Apotheken zuließ. 2018 forderte die US-Arzneimittelbehörde Plattformen wie Twitter und Reddit auf, aktiver gegen Online-Drogenhandel vorzugehen.
Gesetzliche Grauzonen schützen die Plattformbetreiber
Katie Paul vom Tech Transparency Project erklärt: Plattformen wie Spotify tragen kaum Verantwortung für Nutzerinhalte, da sie gesetzlich weitgehend geschützt sind.
„Es gibt keine verpflichtenden Regeln“, sagt sie. Illegale Inhalte können dadurch ohne ernsthafte Konsequenzen online bleiben – selbst wenn sie bekannt sind.
Obwohl Spotify auf Hinweise reagierte, waren viele problematische Podcasts noch tagelang abrufbar. Einige existierten bereits seit Monaten.
Künstliche Intelligenz beschleunigt die Verbreitung
Der Podcast „Xtrapharma.com“ veröffentlichte acht zehnsekündige Episoden. Eine synthetische Stimme bewarb Xanax, Hydrocodon und Oxycontin – angeblich rezeptfrei und mit „FDA-zertifizierter Lieferung“.
In der Beschreibung hieß es, die Bestellung sei diskret, schnell und zuverlässig.
Ein weiteres Format, „Order Xanax 2 mg Online Big Deal On Christmas Season“, verlinkte auf eine angebliche Apotheke und warb mit Gesundheitsversprechen.
Sprachbasierte Inhalte bleiben schwer kontrollierbar
Mit Text-zu-Sprache-Software lassen sich innerhalb kürzester Zeit zahlreiche Podcasts erstellen. Laut Paul ist die Überwachung gesprochener Inhalte weitaus komplexer als bei Texten.
Der Podcast „John Elizabeth“ kombinierte Apothekenwerbung mit KI-generierten Stimmen. In einer Folge hieß es: „Suchen Sie Ativan mit schneller Lieferung? Unser Online-Shop ist für Sie da.“
Auch bei Begriffen wie „Xanax“, „Valium“, „Codein“, „Vyvanse“ oder „Percocet“ erscheinen auffällig viele Podcasts mit Links zu Online-Apotheken – teils mit Rabatten.
Relevanz unklar – Bewertungen fehlen vollständig
Keine der betroffenen Podcasts hatte Bewertungen. Ob Nutzer darauf geklickt oder Bestellungen aufgegeben haben, ist ungewiss.
Einige Inhalte verschwanden erst nach gezielten Hinweisen – etwa „Adderall 10 mg blue pills“. Andere blieben trotz Meldung weiter online.
Spotify erklärt Regeln – aber setzt sie unvollständig um
Die Plattform bietet jedem Nutzer Tools, um Podcasts zu veröffentlichen. Laut eigenen Richtlinien sind Hassrede, sexuelle Inhalte, illegale Werbung und Spam verboten.
Auch der Verkauf oder die Bewerbung verschreibungspflichtiger Medikamente ohne Genehmigung ist untersagt. Spotify setzt auf automatisierte Systeme und menschliche Moderatoren – doch beide scheinen oft zu spät zu greifen.
Alte Vorwürfe wirken nach
Bereits 2022 wurde Spotify für unzureichende Kontrolle medizinischer Inhalte kritisiert. Damals verbreitete der Podcast „The Joe Rogan Experience“ Falschinformationen zu Impfungen – woraufhin mehrere Musiker ihre Inhalte entfernten.
Spotify reagierte mit Hinweisen zu verlässlichen Quellen und gründete einen Sicherheitsrat. Zudem kaufte man das Unternehmen Kinzen, das mithilfe von KI Audiobeiträge überprüft.
Trotz dieser Schritte scheint das Problem nicht gelöst.
Experten fordern harte Maßnahmen
Sarah Gardner, Leiterin der Heat Initiative, sagte: „Wo Menschen Inhalte hochladen dürfen, werden auch Medikamente angeboten.“
Es gehe nicht nur um Erkennung, sondern um konsequente Entfernung. Plattformen müssten Verantwortung übernehmen, statt illegale Werbung zu dulden.
Spotify steht in der Pflicht, sein System sicherer zu machen – für Nutzer, die Informationen suchen, und für Jugendliche, die leicht verführbar sind.