Wenn ruhige Märkte plötzlich laut werden: Der überraschende Umschwung bei US-Anleihen
Nach heftigen Reaktionen auf neue Handelstarife kehrten an den Börsen zuletzt Ruhephasen ein. Doch der US-Anleihenmarkt, der sonst selten Schlagzeilen macht, gerät nun ins Zentrum der Aufmerksamkeit.
Staaten nutzen Anleihen als Mittel zur Finanzierung ihrer Ausgaben. Käufer dieser Schuldtitel erhalten im Gegenzug festgelegte Zinsen.
In letzter Zeit stiegen die Zinsen, die die US-Regierung Investoren zahlen muss, stark an. Gleichzeitig fielen die Kurse dieser Anleihen – ein seltenes Phänomen.
Diese Bewegungen deuten auf einen Vertrauensverlust in die amerikanische Wirtschaft hin. Was für viele wie ein abstraktes Finanzinstrument wirkt, hat plötzlich weitreichende Bedeutung. Es könnte sogar Trumps Zollpolitik beeinflussen.
Wie Staatsanleihen funktionieren – und warum sie für Finanzmärkte so entscheidend sind
Benötigt eine Regierung Geld, verkauft sie Anleihen auf Finanzmärkten. Diese Anleihen sind Schuldscheine: Der Käufer leiht Geld und erhält dafür über Jahre feste Zinszahlungen. Am Ende zahlt der Staat den vollen Betrag zurück.
In den USA werden diese Schuldscheine „Treasuries“ genannt. Käufer sind oft große Institutionen wie Pensionsfonds oder Zentralbanken.
US-Anleihen gelten in Krisenzeiten als sicherer Hafen. Doch diesmal reagierten Anleger anders.
Nach Trumps Ankündigung neuer Zölle am 2. April wandten sich viele Investoren US-Anleihen zu. Als die Maßnahmen am 5. April umgesetzt wurden und Trump seinen Kurs verschärfte, begannen sie jedoch, ihre Anleihen abzustoßen.
Die Folge: Die Renditen stiegen sprunghaft. Die Zehnjahresrendite kletterte von 3,9 % auf 4,5 %, die 30-jährige näherte sich der 5 %-Marke. In diesem Marktsegment gelten bereits kleinere Ausschläge als bedeutend.
Höhere Renditen spiegeln höhere Risiken wider. Anleger verlangen also mehr Zins als Ausgleich für wachsende Unsicherheit.
Die Konsequenzen für den Alltag: Was höhere Zinsen für Familien und Unternehmen bedeuten
Wenn der Staat mehr Zinsen zahlen muss, steigen auch die allgemeinen Finanzierungskosten. Das betrifft nicht nur öffentliche Haushalte, sondern auch private und unternehmerische Kredite.
John Canavan von Oxford Economics erklärt: Wenn Investoren der Regierung höhere Zinsen abverlangen, steigen meist auch die Zinssätze für Hypotheken, Autokredite oder Kreditkarten.
Während viele US-Hausbesitzer langfristige Festzinsen genießen, geraten kleine Unternehmen schneller unter Druck. Steigende Kreditkosten bremsen Investitionen – und damit auch das Wachstum und die Beschäftigung.
Gleichzeitig könnten Banken vorsichtiger bei der Kreditvergabe werden. Das verstärkt die wirtschaftlichen Folgen zusätzlich.
Auch Immobilienkäufer, insbesondere Erstkäufer, sehen sich steigenden Kosten gegenüber. In den USA verwenden viele Unternehmer den Wert ihrer Häuser als Sicherheiten – ein Ansatz, der durch steigende Zinsen erschwert wird.
Wenn Märkte Präsidenten beeinflussen: Wie Trump auf den Anleihen-Crash reagierte
Trotz harter Rhetorik lenkte Trump nach dem Kurssturz bei Anleihen ein: Er setzte die neuen Zollerhöhungen für 90 Tage aus – China ausgenommen. Die generelle 10 %-Abgabe blieb jedoch bestehen.
Der starke Marktreaktion schien selbst Trump nicht ignorieren zu können. Paul Ashworth von Capital Economics meint, dass die Schwäche des Anleihenmarkts größeren Einfluss auf den Präsidenten hatte als die Aktienrückgänge zuvor.
Berichten zufolge war es Finanzminister Scott Bessent, der durch zahlreiche Anrufe aus der Wirtschaft Druck machte und Trumps Kursänderung mitverantwortete.
Analysten sehen Parallelen zur britischen Mini-Budget-Krise unter Liz Truss 2022. Auch dort führten finanzpolitische Maßnahmen zum Anleihenverkauf, was ein Eingreifen der Bank of England notwendig machte.
Obwohl sich die Märkte inzwischen etwas beruhigt haben, bleiben die Renditen hoch. Wäre der Absturz stärker gewesen, hätte wohl auch die US-Notenbank eingreifen müssen.
Laut Jonas Goltermann zeigt sich nun eine Risikoprämie auf US-Staatsanleihen – vergleichbar mit dem britischen Beispiel. Für viele Amerikaner ändert sich bei Krediten kurzfristig wenig, aber Immobilienkäufer spüren bereits Auswirkungen.
Globale Spannungen und Milliardenanleihen: Welche Rolle China auf den US-Märkten spielt
Seit 2010 ist der Anteil ausländischer Investoren an US-Staatsanleihen laut Deutscher Bank um drei Billionen Dollar gestiegen. Japan hält die meisten, gefolgt von China.
Inmitten der Handelskonflikte stellte sich die Frage: Reagiert China mit einem massiven Anleiheverkauf? Doch Experten wie Capital Economics halten das für unwahrscheinlich – denn ein solcher Schritt würde China selbst stärker treffen als die USA.
Trotz einer gewissen Beruhigung bleiben die Märkte angespannt. Die amerikanische Regierung muss nun auch die internationalen Folgen ihrer Politik mitdenken.