Das Finale als Wendepunkt für einen taumelnden Riesen
„Das ist ein Wendepunkt.“ So beschreibt Ex-Trainer Rene Meulensteen das Europa-League-Finale zwischen Manchester United und Tottenham.
Wie viele Fans sieht er in diesem Spiel die letzte Gelegenheit, eine beispiellose Saison des Scheiterns noch zu retten.
„Ein Sieg wäre ein schwacher Trost, aber immerhin ein positives Signal“, sagt Meulensteen.
Aktuell steht United auf Platz 16 – die schlechteste Platzierung seit über 50 Jahren.
„Ohne Sieg fehlt der Glaube an Besserung. Ein Titel würde finanzielle Mittel freimachen.“
„Bleibt Europa aus, blicke ich mit großer Sorge in die Zukunft.“
Mehr als ein Pokal: Es geht um über 100 Millionen Pfund
Hinter dem Spiel steckt eine wirtschaftliche Dimension, die alles überragt.
Die Champions-League-Teilnahme bringt über 100 Millionen Pfund – durch Eintrittsgelder, Übertragungsrechte und Sponsorenzahlungen.
Finanzexperte Kieran Maguire erklärt: „Für United ist es das wirtschaftlich bedeutendste Spiel der modernen Vereinsgeschichte.“
Vier Heimspiele und eine erfolgreiche Gruppenphase könnten weitere 30 bis 40 Millionen einbringen.
Tottenham würde natürlich ebenso profitieren, doch für United ist es existenziell.
Spurs machten 26 Millionen Pfund Verlust, United 113 Millionen – mit Gesamtschulden von 300 Millionen in drei Jahren.
Trotz eines Umsatzes von 651 Millionen Pfund lastet eine Schuldenlast von über einer Milliarde Pfund auf dem Verein – verursacht durch den Kauf durch die Glazers im Jahr 2005.
Allein die Schuldzinsen kosten jährlich Millionen. Mit steigenden Zinssätzen verschärft sich die Lage zusätzlich.
Der Klub räumte ein, dass er kurz davor stand, gegen die Finanzregeln der Premier League zu verstoßen.
Ein Titel als Neustart – eine Niederlage mit Folgen
Im März sprach Miteigentümer Sir Jim Ratcliffe offen über das finanzielle Risiko.
Ohne harte Einschnitte wäre der Klub bis Ende 2025 nicht mehr zahlungsfähig gewesen.
Er kritisierte hochdotierte Verträge von Spielern, die weder Leistung noch Mehrwert bringen.
Gerüchte um Transfers wie Liam Delap, Antoine Semenyo oder Matheus Cunha machen Hoffnung – doch ohne Verkäufe von Rashford, Sancho oder Antony fehlt das Geld.
Ein Platz im Europapokal würde dringend benötigte Attraktivität schaffen.
Gleichzeitig werden Kosten gesenkt: Entlassungen im Personalbereich, Ticketpreiserhöhungen und Fanproteste bestimmen den Alltag.
Der Klub gab über eine Milliarde für Spielerkäufe aus, doch über 300 Millionen an Ablöseraten sind noch offen.
„Champions-League-Einnahmen sichern die Zahlungsfähigkeit“, betont Maguire.
„Nur dann kann überhaupt neu investiert werden. Sonst bleibt Stillstand.“
Rio Ferdinand sieht das ähnlich: „Ein Sieg wäre ein Neustart. Jetzt ist der Moment, das Ruder herumzureißen.“
Schlechte Liga, enttäuschte Fans, offene Rechnungen
Durch die miserable Ligaposition fehlen United bereits rund 30 Millionen Pfund an Einnahmen.
Der Europa-League-Sieg würde zumindest einen Teil der 14,5 Millionen Pfund auffangen, die durch Trainerwechsel verloren gingen.
Die Klubführung plant den Neubau eines Stadions für zwei Milliarden Pfund – doch wie das finanziert werden soll, bleibt offen.
Ratcliffe kürzte bereits andere Sportbeteiligungen wie das Ineos-Sponsoring bei Tottenham, um Ressourcen zu schonen.
Ein Titel würde also nicht nur sportlich, sondern auch wirtschaftlich entlasten.
Allerdings steigen mit dem Champions-League-Einzug auch Spielergehälter – durch vertraglich festgelegte Boni um bis zu 25 Prozent.
„Dennoch wäre der Erfolg transformierend“, meint Maguire.
Trainer Ruben Amorim denkt ähnlich: „Nicht der Titel, sondern die Champions League bringt uns voran.“
Auf die Frage, ob eine Saison ohne Europa Zeit für Neuaufbau bieten würde, antwortete er: „Eine Niederlage wäre katastrophal. Die Geduld ist dann sofort am Ende.“
Zwei große Namen – ein Spiel mit Langzeitwirkung
Tottenham steht vor ähnlichen Herausforderungen. Der letzte Titel liegt über 15 Jahre zurück.
Die Fans werfen Klubchef Daniel Levy und Eigentümer Enic mangelnde Ambitionen vor.
„Für Spurs wäre ein Einzug in die Champions League wünschenswert, aber nicht lebenswichtig“, erklärt Maguire.
„Sie haben eine starke wirtschaftliche Basis und verdienen auch abseits des Platzes sehr gut.“
Bei Manchester United ist die Lage bedrohlicher.
Ein weiteres Jahr ohne Champions League würde Adidas zehn Millionen Pfund kosten – laut Vertrag.
Ein ehemaliger Funktionär warnt: „Ohne Europa droht der Absturz der Sponsorenstruktur.“
Der Vertrag mit Tezos läuft aus. Neue Partner zeigen sich zögerlich.
„Verlieren sie, müssen sie Talente wie Garnacho oder Mainoo verkaufen, um liquide zu bleiben.“
Bilbao – der Moment, der alles verändern kann
Viele erinnern sich an 1991: Der Gewinn des Europapokals der Pokalsieger wurde zur Initialzündung für die Ära Ferguson.
Oder an 2017, als Mourinho mit einem Sieg in der Europa League die Champions-League-Rettung schaffte.
Doch diesmal ist der Druck größer. Die sportliche Krise ist tiefer.
Scheitert United gegen Tottenham, könnte „Mission 21“ – die Rückkehr zur Meisterschaft bis 2028 – zerplatzen.
Intern gibt man sich gelassen: Der Sparkurs sei ohnehin auf eine Saison ohne Europa ausgelegt.
Doch ein Triumph wäre ein Befreiungsschlag – emotional, finanziell, strukturell.
Beide Trainer halten sich mit großen Versprechen zurück. Doch allen Beteiligten ist klar:
Dieses Spiel entscheidet über mehr als einen Pokal. Es entscheidet über den Kurs eines ganzen Klubs.
In Bilbao, einer Stadt des Wandels, kann für Manchester United ein neues Kapitel beginnen.
Oder das Ende einer Ära endgültig besiegelt werden.