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Regeneron übernimmt 23andMe: Datenhandel im Schatten der Insolvenz

by Silke Mayr
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DNA-Testanbieter geht nach finanziellen Turbulenzen in neue Hände über

Das US-Unternehmen 23andMe, bekannt für seine genetischen Selbsttests, wird für 256 Millionen Dollar (etwa 192 Millionen Pfund) von Regeneron Pharmaceuticals übernommen.
Die Übernahme erfolgt nur zwei Monate nach dem Insolvenzantrag, den 23andMe in den Vereinigten Staaten gestellt hatte.

Regeneron erklärte, dass es sich vertraglich verpflichtet habe, die bestehenden Datenschutzrichtlinien von 23andMe vollständig zu übernehmen.
Zudem verfüge das Pharmaunternehmen über eigene Schutzmechanismen zur Sicherung sensibler Nutzerdaten.

Bereits im April hatte 23andMe dem Einsatz eines unabhängigen Datenschutzbeauftragten zugestimmt.
Dieser Schritt erfolgte nach Forderungen mehrerer US-Generalstaatsanwälte, die vor potenziellem Datenmissbrauch durch neue Eigentümer warnten.

Geschäftsbereiche werden angepasst – Fokus auf Datenverwertung

Regeneron übernimmt laut offizieller Mitteilung fast sämtliche Vermögenswerte von 23andMe.
Die Tochterfirma Lemonaid Health wird im Rahmen der Übernahme aufgelöst.
Der Hauptbetrieb von 23andMe bleibt bestehen und wird als eigenständige Einheit unter dem Dach von Regeneron weitergeführt.

Regeneron plant, die umfangreiche genetische Datenbank von 23andMe zur Entwicklung neuer Medikamente zu nutzen.
Laut Mark Jensen, Vorsitzender des Verwaltungsrats, bleibe das Leitbild des Unternehmens erhalten.
Datenschutz, Wahlfreiheit und Zustimmung der Kundinnen und Kunden würden weiterhin oberste Priorität haben.

Die Übernahme kam durch eine gerichtlich angeordnete Auktion im Zuge der Insolvenz zustande.
Auf Presseanfragen reagierte das Unternehmen nicht.

Experten befürchten Wandel zur reinen Datenverwertung

Dr. Jennifer King vom Stanford Institute for Human-Centered Artificial Intelligence sieht in der Übernahme einen klaren Kurswechsel.
Sie erklärte, 23andMe habe sich jahrelang als gemeinnützig präsentiert und so kommerzielle Interessen verschleiert.
Mit Regeneron als alleinigem Eigentümer werde nun der wirtschaftliche Nutzen – insbesondere für pharmazeutische Forschung – in den Vordergrund gerückt.

King, die mit zahlreichen Nutzerinnen und Nutzern gesprochen hat, geht davon aus, dass die Gewinnorientierung künftig offensichtlicher wird.

Vom Börsenwunder zur Datenschutzkrise

23andMe wurde 2006 von Anne Wojcicki gegründet, die bis März 2025 als Geschäftsführerin tätig war.
Das Unternehmen erlangte durch prominente Unterstützer wie Oprah Winfrey, Eva Longoria und Snoop Dogg weltweite Aufmerksamkeit.

Mit dem Börsengang im Jahr 2021 erreichte 23andMe eine Bewertung von über sechs Milliarden Dollar.
Trotzdem konnte das Unternehmen nie einen Gewinn erzielen.

Ein kostenpflichtiges Abo-Modell scheiterte ebenso wie der Versuch, die gesammelten Genomdaten erfolgreich für Medikamentenentwicklung zu nutzen.
Die Nachfrage nach den Testkits nahm kontinuierlich ab.

Ein massiver Hackerangriff im Jahr 2023 führte zur Veröffentlichung personenbezogener Daten von Millionen Nutzern.
Angreifer nutzten wiederverwendete Passwörter und erhielten Zugriff auf Geburtsdaten, geografische Informationen und familiäre Verbindungen.
Das Unternehmen erklärte, DNA-Rohdaten seien nicht betroffen gewesen.

Nach einer Klage wegen mangelhaften Datenschutzes einigte sich 23andMe mit den betroffenen Kunden außergerichtlich.
Wenig später folgte ein Personalabbau – rund 200 Mitarbeitende, also etwa 40 Prozent der Belegschaft, verloren ihre Stelle.
Wojcicki versuchte, das Unternehmen privat weiterzuführen, zeigte sich jedoch lange nicht offen für eine Übernahme.

Insolvenz wirft Fragen zum Umgang mit Nutzerdaten auf

Nach dem Insolvenzantrag empfahlen mehrere US-Staaten betroffenen Kundinnen und Kunden, ihre genetischen Daten löschen zu lassen.
23andMe bekräftigte, weiterhin nach seiner Datenschutzrichtlinie zu handeln und alle geltenden Gesetze einzuhalten.
Auch künftige Eigentümer müssten sich an diese Vorgaben halten.

Die Datenschutzerklärung des Unternehmens enthielt allerdings bereits zuvor eine Klausel, die den Verkauf, Zugriff oder Transfer persönlicher Daten im Falle einer Fusion, Insolvenz oder Übernahme erlaubt.

Nach anhaltender öffentlicher Kritik erklärte sich 23andMe bereit, die Einhaltung der Datenschutzvorgaben durch eine gerichtliche Aufsicht kontrollieren zu lassen.
Generalstaatsanwälte warfen dem Unternehmen vor, dem Schutz hochsensibler Informationen bislang nicht genug Beachtung geschenkt zu haben.

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