Bei einer möglichen Koalition von FPÖ und ÖVP könnten beide Parteien vor allem in der Justizpolitik schnell eine gemeinsame Basis finden. Ihre Wahlprogramme zeigen deutliche Überschneidungen, etwa bei der Strafmündigkeit oder strengeren Sanktionen für Aktivisten. Einige Themen bleiben jedoch umstritten.
Strafen für Jugendliche und Klimaproteste
Einer der zentralen Punkte beider Parteien ist die Forderung, die Strafmündigkeit von derzeit 14 auf 12 Jahre zu senken. Die ÖVP führt dies in ihrem „Österreichplan“ an, während die FPÖ ähnliche Argumente vorbringt, um „kriminellen Jugendbanden“ entgegenzuwirken. Diese Forderung stößt allerdings auf breite Kritik von Experten. Organisationen wie der Dachverband Österreichischer Kinder- und Jugendhilfeeinrichtungen und juristische Vertreter fordern stattdessen stärkere präventive Maßnahmen.
Auch bei Strafen für Klimakleber gibt es Übereinstimmungen. FPÖ und ÖVP plädieren für härtere Maßnahmen gegen Aktivisten, die durch Straßenblockaden den Verkehr beeinträchtigen. Ebenso sprechen sich beide Parteien gegen die Legalisierung von Cannabis aus und fordern strengere Gesetze gegen Schlepper. Ein weiterer Punkt ist die Idee, dass Straftäter ihre Haftstrafen vermehrt in ihren Heimatländern absitzen sollen – ein Vorhaben, das bereits unter der türkis-blauen Koalition 2017 bis 2019 diskutiert wurde.
Verbotsgesetz und politische Einflüsse
Ein weiterer Bereich, in dem sich die Parteien einig sind, betrifft ein mögliches Verbotsgesetz gegen den politischen Islam. Die FPÖ fordert ein explizites Gesetz, das islamistische Organisationen und deren Inhalte verbietet. Die ÖVP verfolgt eine ähnliche Linie, ergänzt um eine Verschärfung des Vereins- und Versammlungsrechts. Experten wie Strafrechtsprofessor Alois Birklbauer lehnen ein solches Gesetz jedoch ab, da es das bestehende Verbotsgesetz gegen nationalsozialistische Wiederbetätigung relativieren könnte. Bereits bestehende Gesetze, wie das Verbot der Verherrlichung von Terror, böten ausreichend rechtliche Mittel.
Streitpunkte bei Überwachung und Justizreformen
Trotz vieler Gemeinsamkeiten gibt es auch potenzielle Konflikte. Ein kontroverses Thema ist die Überwachung verschlüsselter Messenger-Dienste. Während beide Parteien in der Vergangenheit den sogenannten Bundestrojaner beschlossen hatten, zeigt sich FPÖ-Chef Herbert Kickl inzwischen ablehnend. Eine Einigung in diesem Bereich könnte daher schwierig werden.
Ebenfalls umstritten bleibt die Einführung einer unabhängigen Bundesstaatsanwaltschaft. Während zahlreiche Institutionen wie Transparency International und die Staatsanwälte-Vereinigung diese Reform fordern, lehnt die FPÖ das Konzept strikt ab. Die ÖVP zeigte sich in der Vergangenheit ebenfalls zurückhaltend, könnte jedoch bei einer möglichen Koalition flexibel agieren.
Insgesamt bieten die zahlreichen Überschneidungen in den Programmen beider Parteien eine Grundlage für eine Einigung in der Justizpolitik. Die finalen Verhandlungen werden zeigen, ob auch bei den strittigen Themen ein Konsens möglich ist.