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Beeinträchtigen Noise-Cancelling-Kopfhörer unser Hörvermögen?

by Richard Parks
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Noise-Cancelling-Kopfhörer sind für viele Menschen ein fester Bestandteil des Alltags geworden. Sie erleichtern den Arbeitsweg und helfen, störende Geräusche auszublenden. Doch einige Audiologen befürchten nun, dass ihr übermäßiger Gebrauch die Fähigkeit des Gehirns zur Geräuschverarbeitung beeinträchtigen könnte.

Können Noise-Cancelling-Kopfhörer das Hörverständnis beeinflussen?

Renee Almeida, Audiologie-Expertin am Imperial College Healthcare NHS Trust, beobachtet eine zunehmende Zahl von Erwachsenen mit Hörproblemen, obwohl ihre Hörtests unauffällig sind. Viele dieser Betroffenen haben Schwierigkeiten, Geräuschquellen zu lokalisieren oder Gesprächen in lauter Umgebung zu folgen – Symptome, die typisch für eine Auditive Verarbeitungs- und Wahrnehmungsstörung (APD) sind.

APD wird normalerweise bei Kindern diagnostiziert, doch der Anstieg der Fälle bei Erwachsenen lässt Almeida vermuten, dass Noise-Cancelling-Kopfhörer eine Rolle spielen könnten. „Das Gehirn ist daran gewöhnt, viele verschiedene Geräusche gleichzeitig zu verarbeiten,“ erklärt sie. „Durch Noise Cancelling bekommt es jedoch nur eine einzige Klangquelle – etwa Musik oder einen Podcast – ohne Hintergrundgeräusche. Das könnte die Fähigkeit zur Geräuschfilterung schwächen.“

Bei Kindern könnte dies die natürliche Entwicklung der auditiven Wahrnehmung stören, während Erwachsene langfristig Schwierigkeiten haben könnten, Sprache in geräuschvollen Umgebungen zu verstehen.

Noch keine wissenschaftlichen Beweise – aber Forschungsbedarf

Derzeit gibt es keine wissenschaftlichen Studien, die einen direkten Zusammenhang zwischen Noise-Cancelling-Kopfhörern und APD belegen. Dennoch halten Experten wie Almeida weitere Untersuchungen für notwendig, insbesondere um die langfristigen Auswirkungen auf junge Menschen zu erforschen.

Der Hörwissenschaftler Harvey Dillon von der Universität Manchester bestätigt, dass Hörerfahrungen die Fähigkeit beeinflussen, Sprache von Hintergrundgeräuschen zu unterscheiden. Dennoch sieht er keinen nachgewiesenen Zusammenhang zwischen Noise-Cancelling-Technologie und APD. Er betont, dass Kinder mit häufigen Mittelohrentzündungen später Schwierigkeiten haben können, Geräusche zu lokalisieren – bei Erwachsenen hingegen erholt sich diese Fähigkeit meist schnell.

Andere Experten vermuten, dass zu laute Musik möglicherweise schädlicher ist als die Geräuschunterdrückung selbst. Laute Töne können Nervenzellen im Gehör schädigen, was wiederum die Sprachverarbeitung erschwert. In diesem Fall könnten Noise-Cancelling-Kopfhörer sogar positiv wirken, da sie es ermöglichen, Musik bei geringerer Lautstärke zu hören.

Vorteile und mögliche Risiken abwägen

Während einige Fachleute zur Vorsicht raten, heben andere die Vorteile von Noise-Cancelling-Kopfhörern hervor, insbesondere für neurodiverse Menschen oder jene, die sich in lauten Umgebungen konzentrieren müssen.

Professorin Dani Tomlin von der Universität Melbourne spricht sich für mehr Forschung aus, bevor voreilige Schlüsse gezogen werden. Anstatt auf Noise Cancelling zu verzichten, empfiehlt Almeida gezieltes Hörtraining – etwa durch das Zuhören von Radiodebatten oder das Mitschreiben von Songtexten –, um die Verarbeitung von Geräuschen zu verbessern.

„Das Gehirn ist äußerst anpassungsfähig,“ betont sie. „Man muss es nur aktiv fordern.“

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