Leichtere Zuschauer bremsen Werbeambitionen der US-Streamer
Britische Fernsehsender verzeichnen einen ungewöhnlichen Etappensieg gegen internationale Streaming-Giganten wie Netflix, Amazon und Disney+ im Wettlauf um den wachsenden britischen Streaming-Werbemarkt, der mittlerweile über 1 Milliarde Pfund jährlich umfasst. Neue Forschung zeigt, dass Zuschauer mit werbefinanzierten Abos deutlich weniger Inhalte konsumieren – ein Muster, das bis zu 44 % weniger Sehdauer bedeutet im Vergleich zu zahlenden Kunden mit werbefreiem Zugang.
Werbemodelle mit Schwächen – Netflix verliert anfänglichen Vorsprung
Netflix war 2022 der erste große Streamingdienst, der auf Werbung setzte, um nachlassendes Abo-Wachstum zu kompensieren. Zwar erreichte der Dienst Rekord-Neukundenzahlen, doch eine Analyse des Konsumverhaltens offenbart: Kunden im Werbemodell schauen im Schnitt 22 % weniger. Bei Amazon Prime Video liegt das Minus bei 44 %, bei Disney+ lediglich bei fünf Minuten pro Tag Unterschied.
Trotz großer Reichweite verlangte Netflix laut Medienagenturen rund 50 % mehr als ITV oder Channel 4 für Werbung – bei vergleichsweise geringem Targeting und begrenzter Reichweite. Die Einführung des Angebots verlief laut Insidern holprig. Ein zweiter Anlauf war nötig, doch der einstige Vorsprung ist inzwischen verloren.
Werbekunden zögern – britische Sender nutzen das Momentum
Für UK-Sender wie BBC, ITV und Channel 4 ist das Verhalten der „leichten Zuschauer“ im Werbemodell eine Gelegenheit: Ihre Streamingangebote bieten bessere Werbedaten, niedrigere Preise und verlässliche Reichweiten. Vor allem Media-Agenturen bewerten die Werbewirkung bei heimischen Anbietern als effektiver und einfacher buchbar.
Trotzdem bleiben die Herausforderungen gewaltig: Netflix bleibt mit Abstand der meistgenutzte Streamingdienst – 65 % der 18- bis 64-jährigen britischen Internetnutzer greifen darauf zu (BBC iPlayer: 59 %, Prime Video: 48 %, ITVX: 46 %, Channel 4: 34 %). Und mit Formaten wie Adolescence, das 2025 als erstes Streamingformat alle TV-Charts in Großbritannien anführte, beweist Netflix seine Dominanz im Inhaltebereich.
Blick in die Zukunft: „Crawl to walk“ für Netflix-Ads
Netflix-CEO Greg Peters sprach jüngst davon, dass 2025 das Jahr sei, in dem Netflix „vom Krabbeln zum Gehen“ übergehe, was Werbung betrifft. Mit einem neuen eigenen Ad-Tech-System, das zunächst in den USA eingeführt wurde, will der Streamingriese international aufholen. Ziel: bessere Werbewirkung, genauere Zielgruppenansprache und Verdopplung der Werbeeinnahmen.
Fazit: Momentane Verschnaufpause für UK-Sender
Trotz anfänglicher Rückschläge der US-Anbieter bleibt der Druck hoch. Werbemodelle entwickeln sich schnell weiter – und „Werbung ist ein Skalenspiel“, wie Analyst Richard Broughton betont. Britische Sender haben jetzt ein schmales Zeitfenster, um sich strategisch aufzustellen, bevor die Giganten auch in diesem Marktsegment dominant werden.