Maschinen überholen Menschen bei Denkaufgaben
Ein führender Unternehmer der KI-Branche schlägt Alarm: Die rasante Entwicklung künstlicher Intelligenz könnte schon bald zur Massenarbeitslosigkeit führen. Dario Amodei, Geschäftsführer von Anthropic, sieht gravierende Versäumnisse bei Politik und Wirtschaft.
„KI ist inzwischen bei fast allen geistigen Aufgaben besser als Menschen. Das wird tiefgreifende gesellschaftliche Folgen haben“, sagte Amodei am Donnerstag im Gespräch. „KI verbessert sich bei allem – bei meiner Arbeit, bei der Arbeit anderer Geschäftsführer, bei sämtlichen Berufen.“
Arbeitslosigkeit könnte sich in wenigen Jahren verfünffachen
Amodei schätzt, dass die von Anthropic und anderen entwickelten KI-Modelle in den nächsten fünf Jahren bis zur Hälfte aller einfachen Büroarbeitsplätze ersetzen könnten. Das könnte die Arbeitslosenquote in den USA auf bis zu 20 Prozent steigen lassen – ein Niveau, das zuletzt während der Corona-Krise erreicht wurde.
Wirtschaftsexperten und Akademiker hatten bereits ähnliche Warnungen ausgesprochen. Laut einer Umfrage des Weltwirtschaftsforums planen 41 Prozent der Unternehmen weltweit, bis 2030 durch Automatisierung Personal zu reduzieren.
Besonders brisant: Während Amodei vor massiven Arbeitsplatzverlusten warnt, bietet sein Unternehmen gleichzeitig KI-Systeme an, die beinahe einen ganzen Arbeitstag lang eigenständig agieren können.
Auch Akademiker und Spezialisten sind betroffen
Laut Amodei bricht mit dieser Entwicklung ein altes Narrativ weg: Bisher ersetzten Maschinen einfache Tätigkeiten, während Menschen sich höher qualifizieren konnten. Doch nun bedroht KI auch anspruchsvolle und hochbezahlte Berufe, in die viele Jahre Ausbildung investiert wurden.
Er fordert deshalb eine Debatte über eine mögliche Sondersteuer für KI-Firmen. „Wenn KI gigantischen Wohlstand erzeugt, profitiert zunächst die Industrie. Die Bevölkerung bleibt außen vor“, so Amodei. „Es liegt nicht in meinem wirtschaftlichen Interesse, das zu sagen – aber wir sollten es überparteilich diskutieren.“
Digitale Assistenten übernehmen immer mehr Aufgaben
Forscher warnen, dass Berufe wie juristische Assistenz, Buchhaltung, Finanzberatung und Softwareentwicklung künftig von KI übernommen werden könnten. Große Technologiekonzerne sehen diese Entwicklung bereits: Meta-CEO Mark Zuckerberg geht davon aus, dass bald die Hälfte des Codes in seinem Unternehmen von KI geschrieben wird. Bei Microsoft entstehen bereits rund 30 Prozent des Codes durch maschinelle Systeme.
Anthropic verfolgt genau, wofür Kunden KI verwenden. Amodei zufolge nutzen 60 Prozent die Technologie zur Unterstützung, während 40 Prozent komplette Aufgaben automatisieren – mit steigender Tendenz.
Ein neues KI-Modell von Anthropic kann bereits sieben Stunden lang ohne menschliches Eingreifen komplexe Aufgaben lösen. Amodei betont: Die Geschwindigkeit dieser Entwicklung werde massiv unterschätzt. Er ruft Bürger auf, sich aktiv mit KI vertraut zu machen.
„Menschen haben sich in der Vergangenheit an technischen Fortschritt angepasst“, sagte er. „Aber diesmal geht alles schneller, ist weitreichender und schwieriger zu kontrollieren. Selbst Fachleute sind überrascht.“
Zwischen Warnung, Verantwortung und Marktstrategie
Einige Stimmen glauben, dass das Tempo der Entwicklung abnehmen könnte – etwa, wenn der Zugang zu hochwertigen Trainingsdaten begrenzt wird. Andere sehen eine differenziertere Veränderung: KI ersetzt bestimmte Aufgaben, nicht ganze Jobs. Doch nahezu alle Fachleute sind sich einig – die Gesellschaft muss handeln.
Ein Wirtschaftsexperte erklärte, dass auch neu entstehende Berufe künftig von KI übernommen werden könnten – und das womöglich schneller und besser als von Menschen.
Amodei betont, dass er die Technologie nicht entwickeln würde, wenn er nicht auch an ihren Nutzen glaubte. „Ich denke, KI kann Krankheiten heilen und die Welt verbessern“, sagte er.
Gleichzeitig nutzt er seine Warnung auch zur Positionierung. In der KI-Branche zählen längst nicht nur Leistungswerte, sondern auch Vertrauenswürdigkeit. Die Öffentlichkeit und Politik verlangen Transparenz und Verantwortung.
Technologiekritikerin Tracey Follows kommentierte: „Amodeis Aussage vereint Wahrheit, Selbstschutz, strategisches Denken und politischen Einfluss. Wenn jetzt niemand reagiert, kann ihm später niemand Untätigkeit vorwerfen.“
Zum Schluss machte Amodei deutlich, warum er sich zu Wort meldet: „Ich glaube nicht, dass wir diese Entwicklung aufhalten können“, sagte er. „Aber vielleicht können wir sie in eine Richtung lenken, in der wir die Risiken erkennen, die Chancen nutzen – und die Folgen verantwortungsvoll gestalten.“