Die dritte große Laufwelle rollt – und sie kommt mit Stil, Haltung und Social-Media-Power
Scrollende Daumen auf TikTok, piepende Kartengeräte in Sportgeschäften und das rhythmische Stampfen moderner Laufschuhe auf Asphalt: Das sind die Geräusche einer Bewegung, die aktuell das Laufen revolutioniert – angeführt von der Generation Z. Besonders junge Frauen treiben diesen neuen Boom voran und machen aus dem Sport eine kulturelle Bewegung, die stilbewusst, vielfältig und gemeinschaftlich ist.
Hugh Brasher, Renndirektor des London Marathon, erklärt: „In den 70er- und 80er-Jahren bestand die Szene fast nur aus schlanken weißen Männern in engen Shorts.“ Die zweite Welle kam mit Paula Radcliffes Weltrekord 2003 und dem Aufstieg von Parkruns. Doch heute, sagt Brasher, sehe man alle Ethnien, alle Hintergründe: „Diese Explosion ist echt – und niemand hat sie geplant.“
Mit über 1,1 Millionen Anmeldungen für den London Marathon 2026 verdoppelte sich die Zahl der Bewerber innerhalb von zwei Jahren – ein Rekord. Zum ersten Mal ist das Geschlechterverhältnis nahezu ausgeglichen, und mehr als ein Drittel der britischen Bewerber:innen sind zwischen 18 und 29 Jahren alt.
Mode, Mental Health und Mikroinfluencer: Laufen wird neu definiert
Laufen bleibt zwar einfach und günstig – aber ist inzwischen auch stylisch. Marken wie Lululemon und Hoka haben gezielt in das weibliche Publikum investiert, mit Produkten, die gut aussehen und bequem sind. “Hoka hat früh auf das Motto ‘win with women’ gesetzt”, erklärt Marketingexpertin Lee Glandorf. “Sie haben Influencerinnen mit ihren Schuhen ausgestattet und gezeigt, dass auch langsames Laufen zählt – dass man auf seine eigene Weise gewinnen kann.”
Die Rolle von Social Media ist zentral: Auf TikTok und Instagram inspirieren vor allem junge Frauen andere, die ihnen ähneln – nicht durch Rekorde, sondern durch Authentizität. Das senkt die Einstiegshürde und motiviert eine neue Zielgruppe, sich zu bewegen.
Entgegen der weit verbreiteten Meinung war es nicht die Pandemie, die diesen Laufboom ausgelöst hat. „Erst 2023 hat es wirklich gezündet“, sagt Brasher. Aber die Veränderungen in der Arbeitswelt nach Covid-19 – weniger Büro, weniger gemeinsames Sozialleben – hätten ein neues Bedürfnis nach Gemeinschaft erzeugt. Laufgruppen füllen diese Lücke. Und gerade Gen Z, die weniger trinkt und stärker auf mentale Gesundheit achtet, entdeckt im Laufen eine Form der Selbstfürsorge.
„Laufen hilft besser gegen Depression als jede Pille“, betont Brasher. Amrit Ghatora von Tracksmith ergänzt: „Die Vielfalt an Laufgruppen ist enorm – von Black Trail Runners bis zu asiatischen Communities. Bei uns soll niemand Angst haben, beim ersten Mal nicht dazuzugehören.“
Ein Boom mit Zukunft – jenseits von Medaillen
Auch wenn sich der Trend bisher nicht im Spitzensport niederschlägt, sieht Nick Pearson, Ex-Chef von Parkrun und jetziger CEO einer Sportagentur, das nicht als Problem. „Manche sagen, das wird wieder verschwinden. Ich glaube das nicht. Wir haben noch riesige Potenziale, vor allem bei kulturellen Frauengruppen.“
Sein Fazit: „Laufen ist kostenlos, zugänglich und einfach. Und mit Gen Z als treibender Kraft erleben wir gerade den perfekten Sturm.“