Vorübergehende Entspannung, aber Brüssel bleibt alarmiert
Pharmaunternehmen in der EU und den USA entgingen vorerst Strafzöllen, doch Brüssel rechnet weiter mit Risiken. Ein Dokument aus dem Weißen Haus bestätigte, dass Medikamente von den neuen Gegenzöllen ausgenommen wurden. Auch Kupfer, Holz, Halbleiter und Energie entgingen den neuen Maßnahmen.
Die Ausnahmeregelung folgte auf Monate voller Unsicherheit. Bereits im Februar hatte der US-Präsident einen 25-prozentigen Importzoll auf Arzneimittel ins Spiel gebracht.
Besonders betroffen wäre Irland gewesen, wo Konzerne wie Pfizer, Eli Lilly und AbbVie zentrale Produktionsstandorte eingerichtet haben. Auch große Exporteure wie Belgien, Deutschland und Dänemark hätten erhebliche Verluste befürchten müssen.
2024 waren Pharmazeutika der wichtigste Exportposten der EU in die USA mit einem Volumen von 127 Milliarden US-Dollar (117 Milliarden Euro). Strafzölle hätten Patientenversorgung und Geschäftsprozesse auf beiden Seiten schwer beeinträchtigt.
Dennoch warnen EU-Vertreter vor verfrühter Entwarnung. „Wir sind noch nicht über den Berg“, erklärte ein ranghoher EU-Beamter. Auch ausgenommene Branchen könnten weiterhin betroffen sein.
Zölle auf Medikamente und Chips nicht ausgeschlossen
Laut demselben EU-Vertreter fokussieren sich die USA auf fünf strategische Industriesektoren: Automobile, Metalle, Rohstoffe, Arzneimittel und Halbleiter.
Autos, Stahl und Aluminium unterliegen bereits US-Zöllen. Untersuchungen zu Holz, Bauholz und Kupfer wurden eingeleitet.
„Wir gehen davon aus, dass auch Pharmazeutika und Halbleiter bald unter die Lupe genommen werden – entsprechende Signale gab es“, betonte der Beamte.
Zur Vorbereitung wird EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen am kommenden Dienstag in Brüssel führende Vertreter der Pharmabranche empfangen.
„Wir ruhen uns in Sachen Pharma nicht aus. Diese Branche ist strategisch bedeutend für Europa. Wir werden alles tun, um sie zu stärken und zu schützen“, so der EU-Beamte.
Der Austausch pharmazeutischer Produkte erfolgt arbeitsteilig. „Beide Seiten liefern sich gegenseitig wichtige Bestandteile“, hieß es weiter.
Trumps Steuerpolitik schuf das Problem
Die starke Abhängigkeit der USA von EU-Medikamenten ist eine Folge der Steuerreform der Trump-Regierung aus dem Jahr 2017. Diese ermöglichte es Pharmafirmen, Gewinne ins Ausland zu verlagern.
Ein im März veröffentlichter Bericht eines US-Senatsausschusses stellte fest, dass Konzerne gezielt Steuerschlupflöcher nutzten.
Unternehmen wie Johnson & Johnson, Pfizer, Merck & Co. und Bristol-Myers Squibb wählten Irland wegen der niedrigen Steuern als Standort. Das Land entwickelte sich zu einem zentralen Produktionszentrum für US-Pharma.
„Sollten künftig Zölle eingeführt werden, hätte das ernste wirtschaftliche Folgen für Irland“, warnte Rechtsprofessor Billy Melo Araujo von der Queen’s University Belfast. Die Pharmaindustrie dort beschäftigt rund 45.000 Menschen, der Exportwert in die USA liegt bei über 72 Milliarden Euro.
Der irische Pharmaverband rechnet mit spürbaren Auswirkungen erst in vier bis fünf Jahren, da Investitionen in Großanlagen langfristig wirken.
Belgien, Standort großer Pfizer-Produktionsstätten, exportierte in den ersten zehn Monaten 2024 Arzneimittel im Wert von über 73 Milliarden US-Dollar. Davon gingen 24 % in die USA. Pharma macht 15 % der gesamten belgischen Exporte aus.
„Zunächst waren wir erleichtert“, sagte David Gering von einem belgischen Pharma-Verband. „Aber wir bleiben äußerst wachsam. Der US-Markt ist für uns zentral und stark von politischen Entscheidungen beeinflusst.“