An Mexikos Nordgrenze sitzen abgeschobene und gestrandete Migranten fest. Trumps verschärfte Abschiebepolitik treibt viele in die Illegalität und macht sie zur leichten Beute für Schleuser.
Ausweglosigkeit in Tijuana und anderen Grenzstädten
Margelis Rodríguez hatte gehofft, in den USA Schutz zu finden. Sie stellte bereits ihren Antrag und erhielt einen Anhörungstermin. Doch mit dem Machtwechsel in Washington änderte sich alles. Trump strich laufende Verfahren, verstärkte die Grenzkontrollen und leitete Massendeportationen ein. Nun sitzt Rodríguez mit ihren zwei Kindern in einer Flüchtlingsunterkunft in Tijuana fest. Weder eine Einreise in die USA noch eine Rückkehr nach Venezuela scheint für sie möglich.
Nicht weit entfernt wartet Hector López auf seinen Bruder, der in San Diego verhaftet wurde. Er hatte dort auf dem Bau gearbeitet, doch die Migrationspolizei ICE kontrolliert solche Sektoren verstärkt. López hofft, seinen Bruder bald in Mexiko wiederzusehen. Doch oft werden Migranten an weit entfernte Grenzübergänge gebracht, um eine Rückkehr in bekannte Netzwerke zu erschweren.
Überfüllte Unterkünfte und steigende Risiken
Obwohl die mexikanische Regierung in Tijuana und Mexicali Auffanglager errichtet hat, meiden viele Abgeschobene diese Unterkünfte. Die eisigen Temperaturen, die starke Präsenz der Nationalgarde und der schlechte Ruf der mexikanischen Migrationsbehörden lassen sie andere Wege suchen. Regierungslager stehen immer wieder wegen Korruption, Misshandlungen und unhygienischer Zustände in der Kritik. Immer wieder kommt es zu Krankheitsausbrüchen, und vor zwei Jahren starben 40 Migranten bei einem Brand in einer staatlichen Unterkunft.
Währenddessen kämpfen private Hilfsorganisationen mit Überlastung. In Reynosa, 2400 Kilometer von Tijuana entfernt, platzt das “Casa del Migrante” aus allen Nähten. Die Unterkunft bietet Platz für 150 Menschen, beherbergt aber derzeit 250, darunter 80 Kinder. Nahrung wird knapp, und viele Migranten haben die maximale Aufenthaltsdauer längst überschritten. Besonders Flüchtlinge aus Haiti, Kolumbien und Venezuela haben oft keine Möglichkeit, weiterzureisen oder in ihre Heimat zurückzukehren.
Schleusernetzwerke passen sich Trumps Politik an
Während die offiziellen Migrationswege blockiert sind, boomt das Geschäft der Schleuser. Laut Experten haben sich die Kartelle schnell an die verschärften Grenzkontrollen angepasst. Sie werben diskreter, verlangen höhere Preise und nutzen zunehmend gefährlichere Routen. Früher warteten Migranten oft in öffentlichen Parks oder an Bahngleisen nahe der Grenze. Heute sind sie fast unsichtbar – versteckt in sogenannten “sicheren Häusern”, die von kriminellen Netzwerken betrieben werden.
Dort geraten sie in eine noch gefährlichere Lage. Berichte über sexuelle Ausbeutung, Zwangsrekrutierung und Schutzgelderpressung nehmen zu. Laut dem katholischen Priester Prisciliano Peraza, der eine Migrantenunterkunft im Grenzort Altar betreibt, sind Schutzsuchende durch die Kriminalisierungspolitik schutzloser als je zuvor. “Indem Migranten in die Illegalität gedrängt werden, sind sie den Kartellen schutzlos ausgeliefert”, warnt er.
Während die Zahl der illegalen Grenzübertritte laut US-Regierungsquellen um 90 Prozent gesunken ist, bleibt unklar, wie lange dieser Effekt anhält. Viele Migranten, darunter auch Rodríguez, hoffen auf eine neue Chance. Sie beantragte eine mexikanische Aufenthaltsgenehmigung und sucht nun Arbeit in Tijuana. Doch Experten wie die US-Einwanderungsspezialistin Denise Gilman warnen: Das derzeitige System fördert illegale Einreisen mehr als es sie verhindert. So profitieren letztlich vor allem die Kartelle, die allein 2022 über 600 Millionen Dollar mit Menschenschmuggel verdienten.