Viele hinterfragen Metas Gründe, Faktenprüfer abzuschaffen. Doch könnte dieser Schritt auch eine positive Wende sein?
Während diesen Monat Feuer große Teile von Los Angeles verwüsteten, verbreitete sich auch viel Falschnachrichten.
In sozialen Medien kursierten wilde Verschwörungstheorien über die Brände. Nutzer teilten irreführende Videos und beschuldigten Unschuldige fälschlicherweise als Plünderer.
Dies brachte eine zentrale Frage der Social-Media-Ära wieder ins Rampenlicht: Wie lässt sich Desinformation effektiv eindämmen?
Mark Zuckerberg, CEO von Meta, steht seit Jahren im Zentrum dieser Debatte.
Nach den Unruhen im Kapitol 2021, die durch falsche Wahlmanipulationsvorwürfe ausgelöst wurden, verteidigte Zuckerberg vor dem US-Kongress Metas Faktenprüfungsprogramm.
Damals betonte er die Rolle von 80 unabhängigen Drittparteien, die Desinformation auf Facebook und Instagram eindämmen sollten.
Vier Jahre später wirft Zuckerberg diese Strategie über Bord.
„Faktenprüfer sind oft politisch voreingenommen und haben mehr Vertrauen zerstört als geschaffen, besonders in den USA“, erklärte er im Januar.
Nun ersetzt Meta sie durch ein System, das von Xs „Community Notes“ inspiriert ist, wo Nutzer statt Experten die Richtigkeit beurteilen.
Können Community-Notes das Vertrauen stärken?
Viele Experten und Faktenprüfer bezweifeln Zuckerbergs Absichten. Alexios Mantzarlis, Direktor des Sicherheits- und Vertrauensprogramms der Cornell Tech, kritisierte den Schritt scharf.
„Zuckerberg versucht nur, sich bei der neuen Regierung und Elon Musk beliebt zu machen“, sagte Mantzarlis der BBC.
Trotz Kritik sieht er auch positive Aspekte. Community-Notes könnten Teil der Lösung gegen Desinformation sein.
Das Konzept erinnert an „Birdwatch“, das 2021 von X (damals Twitter) gestartet wurde. Dieses System basiert auf freiwilligen Beiträgen, ähnlich wie Wikipedia.
Freiwillige korrigieren falsche oder irreführende Inhalte. Über Zeit gewinnen einige Nutzer die Berechtigung, selbst Community Notes zu verfassen.
Heute gibt es fast eine Million solcher Mitwirkenden. Das System erlaubt laut Mantzarlis schnelle, skalierbare Faktenchecks.
Während Facebooks Experten täglich weniger als 10 Faktenchecks schaffen, liefert X Hunderte pro Tag. Studien bestätigen auch die hohe Genauigkeit: Eine Untersuchung ergab, dass 98 % der geprüften COVID-Notizen korrekt waren.
Laut X können Community Notes die Verbreitung von Fehlinformationen um die Hälfte reduzieren. Zudem steigt die Wahrscheinlichkeit, dass der Verfasser den Beitrag löscht, um 80 %.
Keith Coleman, verantwortlich für Community Notes bei X, betont, dass das System in der Lage ist, breiter und schneller zu reagieren.
„Meta ersetzt ein System, das kaum skaliert, durch eines, das politisch ausgewogen ist und mehr abdeckt“, sagte er.
Professionelle Faktenprüfer weiterhin notwendig?
Zuckerberg kritisierte, dass Faktenprüfer voreingenommen seien, und griff damit ein langjähriges Argument US-amerikanischer Konservativer auf. Kritiker argumentieren jedoch, dass professionelle Faktenprüfer wichtige Desinformation gezielt bekämpfen können.
Baybars Orsek, Leiter von Logically Facts, das Meta in Großbritannien mit Faktenprüfung unterstützt, warnte vor den Schwächen von Community-Notes-Systemen.
Freiwillige könnten ohne „Konsistenz, Objektivität und Expertise“ die gefährlichsten Fehlinformationen nicht wirksam bekämpfen.
Auch Experten wie Silkie Carlo von Big Brother Watch sehen die Gefahr, dass zentrale Faktenprüfung kontroverse Debatten unterdrückt.
Eine algorithmische Auswahl, wie bei X, versucht, parteiübergreifendes Vertrauen zu schaffen. Notizen müssen von Nutzern mit unterschiedlichen Ansichten positiv bewertet werden, um angezeigt zu werden.
Jedoch bleibt fraglich, ob Meta diese hohe Akzeptanz erreichen kann. Studien zeigen, dass über 90 % der vorgeschlagenen Notizen nie verwendet werden.
Meta hat angekündigt, Tausende Moderatoren weiterhin einzusetzen, um extrem schädliche Inhalte zu entfernen. Doch bei politisch kontroversen Themen wie Geschlecht oder Migration lockert Meta seine Regeln.
Zuckerberg räumte ein, dass dadurch „mehr problematische Inhalte“ unentdeckt bleiben könnten.
Viele Experten fordern daher eine Kombination aus Community-Notes und professionellen Faktenprüfern.
Professor Tom Stafford von der Universität Sheffield hält Community-Notes für „legitim“, sieht sie aber nur als Ergänzung.
„Crowdsourcing ist ein hilfreicher Baustein, sollte aber nie das einzige Mittel gegen Desinformation sein.“